Rüti Sepp + Co.
16.09.2006 - 29.10.2006
Seit Anbeginn hat Kunst einen Bezug zur Wirklichkeit. Damit der Mensch seine eigene Wirklichkeit besser verstehen lernt. Bei diesem Konnex ging es mithin um weit mehr als um eine möglichst gelungene Nachbildung von vorgefundenen Motiven, was ja lediglich eine rein „äusserliche“ Kunstübung wäre. Es ging um ein Festmachen von Phänomenen und flüchtigen Ereignissen. Um die Verwesentlichung und Ver-Dichtung von Bestehendem, von Ahnungen, von Geheimnissen. War lange die Ähnlichkeit mit der vorgefundenen Objektwelt Leitgedanke der künstlerischen Gestaltung, kam es im vorletzten und letzten Jahrhundert zu einer allmählichen Loslösung von „Modellen“: sich entfernen – lat. abstrahere – von Vorlagen führte über „impressionistische“ Sehweise bis hin zur „abstrakten“ Kunst. Aber auch wenn man „abstrahiert“, geht man zunächst von Gegenständen aus und damit von einer sinnlich wahrnehmbaren und in ihrer Faktizität gültigen Wirklichkeit. Erst die rein ungegenständliche Kunst konzipiert sich als autonome Eigenwirklichkeit und ist damit losgelöst von einem realen Referenzsystem. Wenn etwas nur noch formal Sinn machen kann, lassen sich dadurch einerseits „höhere“ – aesthetische, mentale, innere – Wirklichkeiten erschliessen. Gleichzeitig sind aber – mit der Kappung eines gültigen Bezugs zu gelebter Realität – die Schleusen zur Beliebigkeit geöffnet, zum trivialen Jekami. Dann obliegt nur noch der Willkür von Experten (oder der Kunstmafia) darüber zu befinden, ob einem Konstrukt der Status von Kunst zukomme. An diesem Punkt wird für Kunst und den Kunstbegriff eine Art „Rückführung“ nötig, um sie ihre eigentliche Identität wieder entdecken zu lassen. Als eine solche Rückführung lässt sich die Ausstellung Rüti Sepp + Co. verstehen: das Festhalten einer akut entschwindenden Wirklichkeit, die über Jahrhunderte Gültigkeit hatte. Die Darstellung von Seinsweisen des Menschlichen. Die Verbindung des Menschen mit seinen Wurzeln, seiner Landschaft, der Kreatur, des Göttlichen, wie es im Ritual des Bet-Rufs so beindruckend zum Ausdruck kommt. In einem nachgeführten Kunstbegriff hat sowohl die Dokumentation wie die freie Gestaltung ihren Ort und ihre Gültigkeit – und dieses umfassende Repertoire wird in Rüti Sepp + Co. in wirkungsvoller und innovativer Weise eingesetzt. Übrigens: ... und Co. – ist dies nicht eine zeitgemässe Formulierung für das horazische tua res agitur - um Dich geht es? Und Co. – sind das im Grunde nicht wir alle?
Christian Doelker
Christian Doelker
Medienspiegel Ausstellung Rütti Sepp & Co.
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