RagARTz wird lila Wir liessen uns unter kundiger Führung von den rund 80 teilnehmenden Künstler:innen und deren Schaffen faszinieren. Die beträchtliche Anzahl eindrücklicher Werke forderte natürlich dazu auf, die weitläufige Ausstellung in und um Bad Ragaz mehrmals zu besuchen.
Von Erika Schärer Die Triennale 2024 stand symbolisch unter der Farbe Lila und dem Hühnervogel. Der Hahn kräht frühmorgens und begrüsst damit den neuen Tag. Daher gilt er als Symbol der Wachsamkeit und als Licht in der Dunkelheit. Das Huhn wiederum steht für die Tugend der Beharrlichkeit. Die Mauer Klaus Schultze (1927) gilt als einer der wichtigsten Keramik-Künstler der Gegenwart. Er und die bekannte Keramikerin Nica Haug (1958) waren zusammen mit dem Werk «Die Mauer» präsent. Das Werk der beiden ist von liebevoller, verspielter und kluger Poesie beseelt. In ihrer unverwechselbaren Bildsprache erzählen die in Keramik auf den skulpturalen Träger aufgebrachten, farbenfrohen, kubischen Motive Geschichten von Zweisamkeit, Einsamkeit und gesellschaftlichem Miteinander in einer stets komplexer und grauer werdenden Lebenswelt. Drei Frauen des Schicksals Die Werke des 1982 im Südtirol geborenen Bildhauers Matthias Sieff zogen uns bereits durch ihre monumentale Grösse in ihren Bann. «Der Faden des Schicksals» besteht aus den drei Figuren «Cloto», «Lachesi» und «Atropo», deren Namen der griechischen Mythologie entnommen sind. Die drei Schicksalsgöttinnen treten erstmals in der nachhomerischen Literatur in der genannten Trias auf: Klotho, die jüngste der Moiren, ist die Spinnerin des Lebensfadens. Lachesis, die mittlere, ist die Zuteilerin, die den Lebensfaden bemisst. Der ältesten Schwester, Atropos, fällt die Aufgabe zu, den Faden des Lebens letztendlich wieder zu durchtrennen. Die lebensspendende «Cloto» erscheint in kraftvollem Rot, während das zarte Lila der «Lachesi» die Emotionen symbolisiert, die Menschen im Laufe ihres Lebens erfahren. Das Violett der «Atropo» verweist auf das Geheimnis, das am Ende eines jeden Lebens steht. Bronze-Skulpturen Die kubisch anmutenden, lebensgrossen Bronze-Skulpturen von Andreas Rimpel wirkten auf uns in besonderer Weise tief bewegend. So kantig sie auch sind, man möchte sie fast beschützend umarmen. Andreas Rimpel wurde 1957 in Aschaffenburg geboren. Vor seiner künstlerischen Laufbahn war er in der Metallindustrie tätig. Seine handwerklich-technische Begabung nutzt er nun im künstlerischen Bereich und beschreitet mit seinen Skulpturen einen ähnlichen Weg wie in seinem früheren Berufsleben. Andreas Rimpels Werke basieren auf der Beobachtung von Menschen, die sich in besonderen, zuweilen exponierten Lebenssituationen befinden. Die existenzielle Befindlichkeit und die Verletzlichkeit des Menschen werden nahezu physisch spürbar. Römische Reihe mit sieben Skulpturen Bei der Installation «Römische Reihe», die sich aus sieben Skulpturen zusammensetzt, handelt es sich um die Inszenierung einer zufälligen Begegnung. Jede Skulptur umgibt eine eigene Aura von mutiger, nachdenklicher, träumender, freudiger, verwegener oder liebevoller Anmutung. Durch die rotierende Beweglichkeit der Köpfe wird eine Interaktion untereinander möglich. Dies zeigt die beinahe komödiantische Wechselhaftigkeit und Voraussehbarkeit der Menschheit im allumfassenden Universum. Martin Wiese, 1958 geboren, studierte zuerst Architektur. Die Meisterausbildung zum Steinbildhauer erfolgte in Freiburg im Breisgau. Liegender Elefant mit Kind Tief in sich selbst und in die Harmonie der Situation versunken, kniet ein Kind vor einem vor ihm liegenden Elefanten und liest ihm aus einem Buch vor. Die skulpturale Umsetzung ist eine mächtige Metapher für den Respekt vor der Natur und den Tieren und soll zugleich ein Verweis darauf sein, dass kommende Generationen die Welt in eine positivere Zukunft führen können. Die Werke des weltbekannten, 1968 geborenen italienischen Künstlers Stefano Bombardieri beeindrucken bereits durch ihre monumentale Grösse. Das hieraus resultierende Überraschungsmoment liess uns ausnahmslos verdutzt innehalten. Die Boule-Gruppe Christel Lechner (1947) aus Deutschland schafft seit 1998 lebensgrosse Skulpturen aus Beton. Die Darstellung des perfekt Unperfekten verleiht ihren «Alltagsmenschen» eine besondere Authentizität. Ihre Tochter Laura Lechner ist von Anfang an in die Entstehung involviert und prägt die Bildsprache der Skulpturen seit Jahren entscheidend mit. Christel und Laura Lechner sind mit der Installation «Die Boule-Gruppe» vertreten. Die elf Skulpturen stellen das Menschliche, das Verbindende und die Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Die Inszenierung des Spiels erlaubt einen Rückzug aus Zeit und Raum und ermöglicht den Fokus auf das Hier und Jetzt sowie auf den nächsten Wurf. Die begehbare Installation lädt dazu ein, entweder unbeteiligt zu beobachten oder aktiv in die Gruppe einzutauchen. Die Skulpturen luden dazu ein, nicht nur bewundert, sondern auch erlebt zu werden. Wir sind begeistert, nachdenklich und glücklich über den unvergesslichen Tag in Bad Ragaz. |
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November 2024
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